Ihr Lieben,
gestern habe ich es getan - den
Cotopaxi, einen Vulkan von 5897m bestiegen.
Und so sah mein wohl verrücktester Tag bisher aus:
7Uhr morgens
Treffen in der Mariscal, dem Partyviertel von Quito. Dort traf ich auf die drei anderen Mädels von der Sprachschule: Paula, aus Deutschland, Sabrina, aus der Schweiz und Shanley, aus Kanada. Nachdem wir uns noch zur Stärkung ein Sandwich (es war ein Toasti und wurde uns serviert in einer übergroßen Cellophandose mit Salatbeilage) in einem Café besorgten, gings ab in den Kleinbus. Drinen saßen schon Kirstin und Ybe aus den Niederlanden, die mit uns den Trip gemeinsam machen würden. Unser bilingualer Guide, der uns immer liebevoll "my friends" nannte, erklärte uns, dass wir nun zum Cotopaxi National Park fahren würden, um von da aus den Aufstieg zu wagen. Runter würde es dann mit dem Mountainbike gehen.
7:20Uhr
Abfahrt.
Während der anderthalbstündigen Fahrt tasteten wir Fahrgäste uns langsam ab und stellten Fragen über Reise, Person, Beruf und Ziel. Die Verständigung lief auf Englisch, auch wenn ich es weder lassen konnte, ab und an ein Wort auf niederländisch mit dem Pärchen zu wechseln, noch wir drei deutschsprachigen Chicas uns beherrschen konnten und eben doch zwischendurch mal kurz einen fetzen auf Deutsch austauschten.
Man verstand sich gut, und das war auch besser so, denn schließlich würden wir 6 an diesem Tag ein extremes Erlebnis teilen.
9Uhr
Ankunft am Park.
Nachdem wir den Eintritt von 2$ bezahlt hatten, gab es noch die Möglichkeit ein paar Snacks zu kaufen, bevor wir mit dem Wagen und dem unterwegs abgeholten Anhänger mit den Mountainsbikes zum Aufstiegspunkt fahren würden.
In einem (wirklich abgrundtief schlechtem) Museum wurde uns noch die Flora und Fauna des Nationalparks erklärt und schon ging es los.
9:30Uhr
Ab ins Auto, Fahrt durch den Nationalpark, Zwischenstopps für Fotos vom schneebedeckten Gipfel.
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Cotopaxi |
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See und Krater (nicht vom Cotopaxi) |
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ich vorm Cotopaxi |
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Paula und ich posen auf dem Stein |
Nach einem kurzen Stopp geht es dann aber zum Parkplatz und rein in die warmen Klamotten, denn auf 5000m kann die Sonne zwar schön scheinen, aber es ist trotzdem schweinekalt.
10:30Uhr
Aufstieg auf den Cotopaxi.
Der erste Teil - und für viele Besucher der einzige - führt rauf zum Refugio: 4810m
Dort gibt es eine Art Plattform mit einem kleinen Restaurant und man kann dort auch übernachten.
Der Weg nach oben führt über einen sandig-steinigen Untergrund und ist aus dreierlei Gründen sehr mühsam: Erstens macht einem die Höhe zu schaffen, denn schon als es losgeht befindet man sich auf 4600m, was das Armen erschwert. Zweitens ist der Untergrund sehr rutschig und man muss sich mit jedem Aufsetzen des Fußes neuen Halt verschaffen. Drittens geht es natürlich nach oben, und irgendwo hochlaufen ist ja schon auf normaler Höhe und stabilen Untergrund anstrengender, als einfach auf ebener Strecke gehen.
Ich hatte vorher wirklich Zweifel, ob ich das Ganze schaffen würde, aber unser Guide war wirklich toll und jeder konnte ein wenig seinem eigenen Tempo folgen, Pausen einlegen und natürlich den Ausblick bewundern.
Auch das einander kennenlernen darf nicht unterschätzt werden, denn bei einem extremen Ereignis wie diesem, ist es schön, seine Eindrücke mit anderen zu teilen. Man wächst zusammen.
11:20 Uhr
Geschafft. Die gesamte Gruppe ist angekommen, beim Refugio, auf 4810m Höhe. Die Luft ist hier so dünn, dass ich meine Lunge bei jedem Atemzug deutlich spüre. Aber es ist ein gutes Gefühl. Und ein Wahsinnsausblick.
Nach einer Pause von nur 20min mussten wir uns entscheiden, noch einmal den selben Weg, aber höher und zum Beginn des Gletschers gelangen, oder hier bleiben und auf den Rest warten?
Eigentlich stand für mich von Anfang an fest: ganz oder gar nicht - trotzdem: Man muss sich vorstellen, wie man sich fühlt, wenn man Ausdauersport bis an seine Grenze betreibt, sodass man kaum noch atmen kann und das Herz so schnell pumpt, wie nur möglich, und diese Anstrengung über 50min, ohne eine wirkliche Möglichkeit auf Erholung, denn auf dieser Höhe, wird deine Atmung sich einfach nicht normalisieren.
Doch unsere Gruppe stellte sich tapfer der Herausforderung - ja heroisch beschrieben, aber so fühlte es sich auch an. Nur Shanley entschied, lieber am Refugio auf uns zu warten.
11:40 Uhr
Und wieder ging es los. der Weg war diesmal viel angehmer zu laufen, feste, rote Erde mit eingetretenen Pfaden. Ab und an mussten wir zwar über ein paar Felsbrocken klettern oder einen Quelllauf überspringen, aber ansonsten ließ es sich gut laufen. Die dünne Luft ließ bei jedem Anstieg die Lungen brennen, doch der Ausblick auf den Schneebeginn des Gletschers vor uns, ließ Eifer aufkommen.
12:35 Uhr
Endlich oben. Geschafft. 5200m Höhe. Der zweithöchste Berg Ecuadors. Einer der höchsten, aktiven Vulkane weltweit. Cotopaxi, "Thron des Mondes".
Es war ein Wahnsinnsgefühl dort oben zu stehen, den ganzen Anstieg bewältigt zu haben. Ich war richtig in Partylaune.
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ganz wichtig: Häschenmütze |
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Sagt man zu etwas jetzt "Gletscherspalte"? |
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Ausblick aufs Tal: traumhaft |
Danach ging es abwärts, zunächst halb gehend, halb rennend zum Refugio zurück, dort schnell Shanley eingesammelt und weiter runter zum Parkplatz. Von dort aus fuhren wir mit dem Wagen und Anhänger ein Stück weiter ins Tal und hielten dann, um uns auf die Mountainbikes zu schwingen.
14:00Uhr
Mountainbiketour.
Ich dachte ja zuvor, dass wäre bergab 'ne spaßige Angelegenheit, die alles kosten kann, aber sich keine Anstrengung. Geschnitten. Die Straße war so huckelig und die Abfahrt damit so holprig, dass ein permanentes Bremsen nötig war, um sich nicht das Genick zu brechen. Und mannomann, das geht wirklich in die Hände! Ich hatte anfangs auch echt Angst und hab mich deshalb nicht wirklich entspannen können. Als dann jedoch die Abstände zwischen uns einzelnen größer wurden, konnte ich loslassen (also nicht die Bremsen, natürlich!) und die Abfahrt genießen. Für jeden Actionverliebten wäre das sicher das Größte, es geht irre schnell und macht wirklich viel Spaß, wenn man eben nicht wirklich Angst bekommt. Aber der Mensch gewöhnt sich ja an alles.
Leider war die Abfahrt irgendwann vorbei und es ging querfeldein geradeaus - wow - hier wurde einem die Höhe wieder bewusst: Die Kombination aus unebenem, sandigen Untergrund und 3000-4000m schlaucht! Und das, nachdem wir immerhin schon einen Vulkan bestiegen hatten. Gott sei Dank ging es nach 3km aber wieder abwärts, und diesmal sogar auf einer befestigten Straße. Was für ein sausebrausiges Erlebnis. Wie der Wind gings abwärts, und jeder kleine Huckel wurde wie auf dem Pferderücken mit leichten Anheben des Po's geradezu beritten. Ich hatte richtig Spaß!
Und dann irgendwann richtig Hunger.
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Abfahrt im Tal |
15:30Uhr
Ankunft am Restaurant
Glücklicherweise kamen wir endlich beim Restaurant im Nationalpark an. Dort wurde uns ein heißer "Mate de Coca", also ein Coca Tee aufgetischt. Dazu gab's eine warme Suppe, Brot, Guacamole und Chips und frische Früchte. Noch nie hat etwas so gut geschmeckt, wie nach einer solchen Anstrengung.
16:30Uhr
Zurück ins Auto und nach Quito. Es wurde noch zusammen gelacht, gestöhnt, gegähnt und gequatscht. Alle waren sehr müde, und schworen sich, sofort ins Bett zu kriechen, wenn sie zu Hause wären (außer Kirstin, die noch eine Massage von ihrem Liebsten einforderte).
Ich selbst hatte mich für den Abend noch verabredet mit einer Freundin und konzentrierte mich darauf, mich gar nicht erst müde zu fühlen. Es klappte.
18:00Uhr
Back in Quito. Ich verließ den Bus im Sprung, da wir vor meinem Zuhause quasi vorbei fuhren. Der Berg, den ich bis zum Hostel immer hochsteigen muss, tat mir zwar in den Knochen weh, ich lachte ihn aber auch aus, da er mich nach dem Anstieg vom Tage nicht mehr schocken konnte.
20:30 Uhr
Treffen im Partyviertel. Inga, zwei ecuadorianische Freunde von ihr und ich. Mein gerade errungenes Spanisch wurde hart auf die Probe gestellt und nach meinem Körper, nun auch noch mein Kopf extrem angestrengt. Nachdem wir ein Bierchen und zwei Cocktails vorgetrunken hatten und die Zunge gelockert war, wurde getanzt. Und zwar nicht wie bei uns, jeder für sich. Nein. Einen wilden Salsa und Merengue legten Raphaél und Andrés mit uns aufs Parkett. Ziemlich durchgeschwitzt beendete ich also diesen Wahnsinnstag, der für mich sogar 21 Stunden dauerte.
03:00 Uhr
Bett. Endlich.