Dienstag, 11. Oktober 2011

Alalalala (Rio)bamba



Vor zwei Wochen fragte mich die Mutter eines meiner Kinder aus dem Centro Autistico (Capadd) ob ich mit ihr am Wochenende nach Riobamba kommen möchte. Zuerst dachte ich, sie würde mit der gesamten Familie in ihr Ferienhaus, 3 Stunden von Quito entfernt, fahren. Wie sich herausstellte, wollte sie jedoch mal ganz alleine raus und mich gern dabei haben.
Lang hab ich nicht überlebt und so ging es am vorletzten Freitag nach der Arbeit mit dem Auto erst zu ihr nach Hause und dann nach Riobamba, die Hauptstadt der Provinz Chimborazo, 124.807 Einwohner.
Während Maria Esther die Sachen packte - ihren eigenen Koffer und Unmengen an Essen (und ich hatte mir Sorgen gemacht, das Wochenende würde zu teuer werden.. pah!) sollte ich mir das Museum des in Ecuador berühmten Künstlers Guayasamin ansehen. Seine Bilder erinnern ein wenig an den "Schrei" von Edward Munch und sind eher düster, aber durchaus interessant.
Im Museumsgarten konnte ich dann noch den "Arbol de la vida" - den "Baum des Lebens" bewundern und fühlte mich an Grundschulzeiten und Tabaluga-Musicalaufführungen erinnert.
Um ca. 16:30Uhr brachen wir dann auf nach Riobamba und kamen nach einer geselligen Autofahrt mit ecuadorianischer Musik und viel Gesprächsstoff nach 3 1/2 Stunden am Ferienhäuschen an. Trotz später Stunde ließen wir es uns nicht nehmen nach einem Teller Spätzle noch die Innenstadt anzufahren und ein Bierchen in einem kleinen Rockschuppen zu genießen.
Tags drauf standen wir zeitig auf, frühstückten in aller Ruhe und erkundeten dann das "Örtchen" Riobamba. Nachdem wir einen typischen Indigomarkt besucht hatten, besorgten wir uns ein paar Hähnchenkeulen, die wir dann an einem der umliegenden Berge mit Blick aufs Tal vernaschten. der Vollständigkeit halber muss ich noch hinzufügen, dass ich beim vorherigen Betrachten der Hähnchen auf ihrem Spieß einen eindringlichen Ohrwurm von Eminems und Rihannas musikalischer Kooperation hatte "Just gonna stand there and watch me burn." ...
Nach dem Picknick ging es in den benachbarten Ort, dessen Name mir entfallen ist, der aber äußerst bekannt für seine Teppiche und Lederwaren ist. Außerdem wird dort ein besonderes Brot angeboten: Pan de Cholo
Es besteht aus normalen, salzigen Teig und hat eine Füllung aus einer süßen Masse, bestehend aus Zuckerrohr. Es wird "Pan de Cholo" genannt, weil es ein Mischling aus zwei Teigsorten ist und "Cholo" bezeichnet einen "Mischling" aus Indigo und Ecuadorianer.
Nachdem Maria Esther sich einen schnieken Cowboyhut zugelegt hatte und ich mir einen warmen Poncho erzählte uns einer der Ladenbesitzer von der Mumie, die vor einiger Zeit in der Stadt ausgegraben wurde und jetzt im Museum ausgestellt wird. 400 Jahre alt sollte das gute Stück sein, und obwohl ich es moralisch irgendwie verwerflich finde, tote Körper im Museum auszustellen, den uralten Mönch mussten wir genauer unter die Lupe nehmen (siehe Fotos).
Unser letztes Ausflugsziel stellte ein wunderschöner See dar mit einem benachbarten Indigodorf, welches wir aus der Nähe betrachten konnten.
Abends musste Maria Esther noch zu einer Nachbarschaftsversammlung, während ich mich über den Vorrat an Serien auf ihrem Mac hermachen konnte. Herrlich!
Dazu gab es selbstgemachte Pizza.
Um 22Uhr kam sie dann zurück und erklärte mir zugleich, dass die Nachbarn noch ein geselliges Zusammensein veranstalteten und doch ausdrücklich darum gebeten hatten, dass Maria Esther "die Deutsche" mitbringt.
Gemeinsam machten wir uns also auf in das kleine Wohnzimmer, wo schon zwei ältere Damen, ein älterer Herr und zwei recht junge Pärchen auf uns warteten. Nach einer kurzen Vorstellrunde ging es ans Eingemachte, an das eigentliche Ziel des Abends: Karaoke
Davon hatte ich weder gewusst, noch geahnt. Und mein Glück schien vollkommen, als Maria Esther erwähnte, im Centro würde ich immer so schön singen und ehe ich es mich versah, bekam ich von rechts ein Mikro in die Hand gedrückt. Gott sei Dank gab es in der riesigen Sammlung Karaokehits auch ein paar englischsprachige Songs, sodass "Tears in heaven" von Eric Clapton wählte.
Nach meiner Gesangseinlage tobte die Menge und für einen kurzen Moment war ich stolz. Nach der zweiten Einlage von Susanna, fühlte ich mich allerdings an ein Zitat meines ehemaligen Lehrer Herrn H. erinnert: "Wir klatschen nicht für Scheisse!!!" - Leider hielt sich hier niemand daran, und so wurde auch jeder noch so schiefe Ton bejubelt. Ich genoss die entspannte Stimmung, aber wurde trotz meinem sich immer wieder füllenden Glases (Rotwein, Whisky, Bacardi...) langsam müde.
Hatte ich zu Anfang noch gedacht, ich könnte gehen, wann ich wollte, so stellte sich dies bal als katastrophale Fehleinschätzung heraus. Als Maria Esther und ich ankündigten, wir würden den Heimweg antreten, wurden wir zuerst einmal ignoriert und stattdessen zum Tanz aufgefordert. Gut, wir blieben.
Nach einer weiteren halben Stunde, verkündeten wir dann abermals unseren Abschied, doch uns wurde ganz einfach vehement der Weg zur Tür versperrt. Gut, wir blieben.
Nach gefühlten 100 weiteren Songs, der quietschenden Stimme Marcelas in meinem Ohr und dem schunkelnden Po von Beatrice an meiner Wade (okay, so klein war sie auch wieder nicht...) wurde es mir zu bunt und ich beschloss, dass mich nichts vom Gehen abbringen könnte.
Ich verabschiedete mich höflich und wollte mich gerade für die Gastfreundschaft bedanken, als auf einmal alle anfingen zu betteln, ich dürfte auf keinen Fall gehen.
Mittlerweile verstand ich auch, warum das erste Pärchen sich klammheimlich, ohne Abschiedworte, davongemacht hatte...
Gut, wir blie... Nein. Mein Kopf dröhnte bereits, vom fürchterlichen Gequietsche der Damen und vom Whisky gleichermaßen, und so schob ich mich leicht unsanft an den Damen vorbei, was Maria Esther mir dankbar nachtat, und wir schafften es, endlich aus der Tür zu kommen. In Marias Haus angekommen sagte diese sogleich: "Schnell, wir müssen die Lichter ausmachen, sonst kommen die noch gleich rüber."
Innerlich hab ich ganz schön gelacht, eine erwachsene, ecuadorianische Frau, die sich vor ihren Nachbarn versteckt! Schön, dass hier alles genauso scheinheilig ist, wie zu Hause in Deutschland...

Am nächsten tag reisten wir zeitig zurück und so konnte ich den frühen Abend schon wieder im Hostel verbringen und noch einmal kurz entspannen, bevor eine weitere anstrengende Woche beginnen würde.

Der Baum des Lebens


vor den Autos des verstorbenen Künstlers Guayasamin

Guayasamin
Guayasamin
typischer Transport in Ecuador
Aussicht beim Hähnchen-Picknick
Maria Esther an der Fundstelle der Mumie, den Mauern einer alten Kirche

der 400 Jahre alte Priester - das Kopftuch sollte davor bewahren, dass sich der Mund öffnet, was zu Problemen im Leben nach dem Tod führen würde, so der Glaube
wunderschöne, alte Version des Don Quijote
die älteste Kirche von Ecuador
zur Veranschaulichung wurde die Inneneinrichtung dem Originalzustand weitestgehend nachempfunden



Maria Esther mit ihrem neuen Poncho
ich mit meinem neuen Poncho
Stopp am  See auf der sonntäglichen Rückfahrt


ein Provisorium durch und durch

Maria Esther brauchte dringend so einen Topf
Liefs, Isabel

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